Das Land und seine Geschichte

Mit einer Fläche von 2,376,000 Quadratkilometern und einer 716 Kilometer langen Küstenlinie ist der Sudan der größte afrikanische Staat.

Ebenen und Hochebenen prägen das Landschaftsbild. Gebirgslandschaften liegen an der Küste des Roten Meeres, weit im Süden und weit im Westen. Die einzigen bedeutenden Berge im Landesinneren sind die Nubaberge westlich des Weißen Nil. All größeren Flüsse speisen den Blauen oder den Weißen Nil, die nördlich von Khartum zusammenkommen, um den Nil zu bilden. Im Süden des Landes, vor allem am Bahr el Ghazal, gibt es große Sümpfe. Regenfälle, in den Wüsten des Nordens selten, sind im südlichsten Drittel des Landes häufig und üppig – die Regenzeit dauert sechs bis neun Monate. Das mittlere Drittel des Landes hat in den meisten Jahren genug Niederschlag für die Landwirtschaft, aber in den Jahren 1980 und 1991 verursachten ausbleibende Regenfälle eine Dürrezeit. Staubstürme, oft gefolgt von Regen, sind im Nord- und Zentralsudan eine häufige Plage. Die Durchschnittstemperatur sowie die Tageshöchstwerte sind im allgemeinen hoch, in der Wüste kann es aber nachts recht kalt werden.

Die Volkszählung von 1983 ergab eine Bevölkerung von 21.6 Millionen Menschen; eine Schätzung vom Juli 1990 ungefähr 25 Millionen, d.h. die jährliche Zuwachsrate liegt zwischen 2.8 und 3.1 Prozent. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Ungefähr zwanzig Prozent der Bevölkerung lebt in städtischen Zentren, hauptsächlich in den drei Städten Khartum, Omdurman, and Nord-Khartum, die zusammen die Landeshauptstadt bilden.

Es gibt um die 400 Sprachen, aber Arabisch ist die wichtigste und offizielle Sprache. Englisch ist im Süden verbreitete Zweitsprache. Andere Sprachen sind z.B. Bedawiye, die Sprache der Beja, sowie verschiedene Niger-Kordofanische und Nilotisch-Saharische Sprachen.

Im Jahre 1983 bestand die ethnische Majorität  (fast 40 % insgesamt, 55% im Norden) aus Menschen, die sich als Araber bezeichnen, aber untereinander durch regionale und Stammes- oder Religionsgruppen aufgesplittert sind. Bedeutende muslimische Bevölkerungsgruppen (aber nicht arabisch) sind die Nubier im hohen Norden des Landes, die nomadischen Beja im Nordosten, und die Fur im Westen. Nicht-muslimische Gruppen im Süden umfassen die Dinka (mehr als 10 % der Gesamtbevölkerung und 40 % der Bevölkerung im Süden), Nuer, und andere kleinere nilotische und weitere Ethnien. Mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung sind Muslime, die meisten davon im Norden ansässig, wo Muslime 75% oder mehr an der Gesamtbevölkerung ausmachen. Christen gibt es relativ wenige, die meisten davon im Südsudan. Die meisten Menschen im Süden und eine größere Minderheit im Norden sind Anhänger von verschiedenen animistischen Religionen. 

Anfang der 90er Jahre bildeten Ackerbau und Viehzucht den Lebensunterhalt für ungefähr 80% der Bevölkerung. Landwirtschaft im Zentralsudan wird charakterisiert durch moderne, marktorientierte Produktionsmethoden, Bewässerungssysteme und mechanisierte Landarbeit. Der Rest des Landes wird größtenteils durch Subsistenzackerbau geprägt. Die Hauptanbauprodukte in den großen Ländereien des Zentralsudan sind Baumwolle, Hirse, Erdnüsse, Zuckerrohr, Weizen und Sesam. Kleinfarmer erzeugen traditionellerweise Hirse, Sorghum, Sesam, Erdnüsse. Der Fischfang ist noch größtenteils eine Subsistenzwirtschaft.

DER SUDAN, WIE VIELE ANDERE AFRIKANISCHE LÄNDER, beherbergt zahlreiche ethnische Gruppen. Anders als in den meisten anderen Staaten aber gibt es im Sudan zwei deutlich voneinander getrennte Gebiete: der größtenteils arabische bzw. islamische Norden, und der überwiegend von nilotischen Völkern besiedelte Süden, von denen manche Naturreligionen praktizieren und einige auch Christen sind. Die britische Kolonialpolitik zwischen 1899 und 1955 vergrößerte den Abstand, weil die Briten separate Verwaltungseinheiten für beide Landesteile einsetzten und Bewohnern des Nordens verboten, den Süden zu betreten. Noch in den 90er Jahren fürchteten zahlreiche Bewohner des Südsudan eine nördliche Regierung, die mit ihren Traditionen und Glaubensvorstellungen nicht vertraut war und die versuchte, ihnen die Sitten und Einrichtungen des Nordens aufzuzwingen.

Bedenkt man die Nachbarschaft mit Ägypten und die wichtige Rolle des Nils, die beiden Ländern gemeinsam ist, ist es nicht überraschend, daß Ägypten den Sudan, vor allem die nördliche Landeshälfte, während der Geschichte entscheidend beeinflußt hat.

 

Kusch

Die frühesten historischen Quellen über den Nordsudan sind aus Ägypten – dort beschrieb man das Land südlich des ersten Kataraktes namens Kusch als “elend”. Für mehr als 2000 Jahre nach dem Alten Reich (ca. 2700-2180 v.Chr.), bestimmten die wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten Ägyptens den Gang der Geschichte am Mittellauf des Nils. Sogar während der Zwischenzeiten, wenn die ägyptische Präsenz in Kusch nachließ, behielt Ägypten seinen nachhaltigen kulturellen und religiösen Einfluß auf die Kuschiten.  

Im Laufe der Jahrhunderte blühte der Handel. Ägyptische Karawanen transportierten Getreide nach Kusch und kehrten nach Assuan zurück mit Elfenbein, Weihrauch, Fellen und Karneol (den man für Schmuck ebenso schätzte wie für Pfeilspitzen), Waren, die dann stromabwärts verschifft wurden. Ägyptische Händler suchten besonders nach Gold und Sklaven, die man als Diener, Konkubinen und Soldaten einsetzte. Militärexpeditionen der Pharaonen drangen schon während des Alten Reiches gelegentlich nach Kusch vor. Aber erst während des Mittleren Reiches (ca. 2100-1720 v.Chr.) begann man damit, eine permanente Präsenz im Gebiet zu errichten. Zu dieser Zeit entstand eine Kette von Festungen am Nil, die bis nach Semneh in Oberägypten reichten und die die Goldtransporte aus den Minen von Wawat sichern sollten.

Gegen 1720 v.Chr. drangen asiatische Nomaden, die sogenannten Hyksos, in Ägypten ein, beendeten damit das Mittlere Reich, und die ägyptische Bindung an Kusch, und zerstörten die Festungen entlang des Nils. In diesem Machtvakuum entstand ein kulturell eigenständiges Königtum bei Kerma, nahe dem heutigen Dongola. Nach dem Wiedererstarken der ägyptischen Macht während des Neuen (ca. 1570- 1100 v.Chr.), verleibte der Pharao Ahmose I Kusch dem ägyptischen Reich als eine Provinz ein, die von einem Vizekönig verwaltet wurde. Obwohl Ägyptens Verwaltungsbereich in Kusch nur bis zum vierten Katarakt reichte, führen ägyptische Quellen auch Bezirke am Roten Meer bzw. am Blauen oder Weißen Nil als tributpflichtig auf. Die Söhne der örtlichen Stammesfürsten wurden am ägyptischen Hof erzogen, um die Loyalität ihrer Väter zu gewährleisten. Außerdem erwarteten die Ägypter Tribute in Gold und Sklaven.

Nachdem Ägypten einmal die politische Kontrolle über Kusch etabliert hatte, folgten Verwaltungsbeamte und Priester dem Militär. Kaufleute und Handwerker ließen sich in der Region nieder. Die ägyptische Sprache wurde weithin gesprochen, und die Kuschiten übernahmen ägyptische Gottheiten, denen sie Tempel wie den Amuntempel von Napatah errichteten, nahe dem heutigen Kuraymah. Bis zur Ankunft des Christentums im sechsten Jahrhundert blieben diese Tempel Zentren des offiziellen Kultes. Als der ägyptische Einfluß abnahm und fremdländischen Invasoren zum Opfer fiel, betrachteten sich die Kuschiten als die Bewahrer der traditionellen ägyptischen Werte und Religion.

Gegen Ende des 11.Jahrhunderts v.Chr. war der Machtbereich des Neuen Reiches soweit geschwunden, daß die ägyptische Kontrolle über Kusch zum erliegen kam. Über die Vorgänge in der Region während der nächsten 300 Jahre gibt es keine Angaben – im 8. Jahrhundert v.Chr. erscheint Kusch jedoch wieder auf der Bildfläche, und zwar als ein unabhängiges Königreich, das von Napata aus regiert wurde. Eine agressive heimische Dynastie dehnte ihren Einflußbereich bis nach Ägypten hinein aus.  Gegen 750 v.Chr. eroberte ein Kuschitenkönig namens Kaschta Oberägypten und wurde bis ca. 740 v.Chr. König von Theben. Sein Nachfolger Pianchi unterwarf das Nildelta, vereinigte Ägypten unter der Herrschaft der 25.Dynastie und begründete eine Linie von Königen, die Kusch und Ägypten für ungefähr einhundert Jahre regierten. Die Einmischung der Dynastie im Gebiet des heutigen Syrien führte zu einem Krieg zwischen Assyrien und Ägypten. Als die Assyrer in Ägypten einfielen, zog sich der letzte kuschitische Pharaoh, Taharqa (688-663 v.Chr.), nach Napata zurück. Von hier aus regierte die Dynastie weiterhin Kusch und dehnte ihren Einflußbereich nach Süden und Osten aus.

 

Meroe

Die folgenden ägyptischen Königshäuser vermochten nicht, ihren Einfluß auf Kusch wiederzugewinnen. Im Jahre 590 v.Chr., überrannte eine ägyptische Armee Napata und zwang den kuschitischen Hof, sich an einen sicheren Ort nahe Meroe beim sechsten Katarakt zurückzuziehen. Für die weiteren Jahrhunderte entwickelte sich das Meroitische Reich unabhängig von Ägypten, das während dieser Zeit nacheinander unter persische, griechische und zuletzt römische Herrschaft geriet. Auf der Höhe seiner Macht während des dritten und zweiten Jahrhunderts v.Chr. erstreckte sich Meroe über eine Region vom dritten Katarakt im Norden bis nach Sawba, beim heutigen Khartum, im Süden.

Die meroitischen Könige behielten pharaonische Traditionen bei - sie errichteten Stelen, um die Ereignisse ihrer Regierung festzuhalten, und Pyramiden, um ihre Bestattungen aufzunehmen. Diese Objekte und die Ruinen von Palästen, Tempeln und Bädern in Meroe bezeugen, daß es sich hier um ein zentralisiertes politisches System handelte, das die Kunstfertigkeit ausgebildeter Handwerker einsetzte und über große Arbeiterkontingente verfügen konnte. Ein gutverwaltetes Bewässerungssystem machte es möglich, eine größere Bevölkerungsdichte als zu späteren Zeiten in der Region zu ernähren. Am Ende des ersten Jahrhunderts v.Chr. wich der Gebrauch der Hieroglyphenschrift der meroitischen Schrift, die das ägyptische Schriftsystem an die einheimische, dem Nubischen verwandte Sprache anpaßte. Meroe's Thronfolgesystem war nicht notwendigerweise erblich – derjenige, den die matriarchalische Königsfamilie für den würdigsten hielt, wurde König. Die Königinmutter spielte bei der Regelung der Thronfolge eine wichtige Rolle. Anscheinend ging die Krone vom Bruder auf den Bruder (oder auf die Schwester) übrig, und erst wenn keine Geschwister mehr vorhanden waren, vom Vater auf den Sohn.

Obwohl Napata das religiöse Zentrum von Meroe blieb, fiel das nördliche Kusch schließlich unter die Herrschaft der Blemmyer, eines agressiven Nomadenvolkes östlich des Nils. Dennoch behielt Meroe über den Nil seinen Kontakt zum Mittelmeer, und überdies zu indischen und arabischen Händlern, die an der Küste des Roten Meeres landeten. Auf diese Weise wurden sowohl hellenistische als auch indische Einflüsse in der meroitischen Kultur integriert. Spärliche Belege führen zu dem Schluß, daß meroitische Metallurgie bis nach Westafrika gelangt sein könnte.

Die Beziehungen zwischen Meroe und Ägypten waren nicht immer friedlich. Im Jahre 23 v.Chr., als Reaktion auf meroitische Einfälle nach Oberägypten, zog ein römisches Heer nach Süden und verwüstete Napata. Der römische Feldherr zog sich aber rasch wieder aus der Region zurück, die ihm zu arm für eine Kolonisierung schien.

Im zweiten nachchristlichen Jahrhundert besiedelten die Nobaten das westliche Nilufer im Norden von Kusch. Man nimmt an, daß es sich bei ihnen um eine von mehreren gutbewaffneten Reiterbanden handelte, die der meroitischen Bevölkerung „Schutz“ anboten. Im Laufe der Zeit vermischten sie sich mit der meroitischen Population und bildeten eine Art kriegerische Aristokratie. Fast bis zum fünften Jahrhundert unterstützte Rom die Nobaten und benutzte Meroe als Puffer zwischen Ägypten und den Blemmyern. Währenddessen schrumpfte das alte meroitische Reich aufgrund der Ausdehnung von Axum, einem mächtigen abessinischen Staat im Gebiet des heutigen Äthiopien. Ungefähr 350 nach Christus eroberte und zerstörte eine Armee aus Axum die Stadt Meroe und beendete die unabhängige Existenz des Reiches.

 

Das christliche Nubien

Zu Beginn des sechsten Jahrhunderts hatten sich drei Staaten als politische und kulturelle Erben des meroitischen Reiches gebildet. Nobatien (auch bekannt als Ballanah) im Norden mit der Hauptstadt Faras, im Gebiet des heutigen Ägypten; das mittlere Königreich, Makuria, hatte sein Zentrum bei Dongola, der alten Stadt am Nil ca. 150 km südlich des heutigen Dongola; und Alwa, im Herzland des alten Meroe im Süden, das seine Hauptstadt bei Sawba hatte. In allen drei Königreichen beherrschten kriegerische Adlige eine meroitische Population von Königshöfen aus, deren Beamte griechische Titel trugen, in Nachahmung des byzantinischen Hofes.

Griechische und koptische Authoren berichteten während des sechsten Jahrhunderts als erste über die Bekehrung nubischer Könige zum Christentum. Nach der Überlieferung traf gegen 540 ein Missionar der Kaiserin Theodora in Nobatien ein und begann, das Evangelium zu predigen. Es ist möglich, daß der Bekehrungsprozeß schon früher begann, unter dem Einfluß  koptischer Missionare aus Ägypten, die im vorhergehenden Jahrhundert das Christentum nach Abessinien gebracht hatten. Die nubischen Könige nahmen die monophysitische Lehre aus Ägypten an und erkannten den Patriarchen von Alexandria als geistlichen Führer der nubischen Kirche an. Eine Hierarchie von Bischöfen, die vom koptischen Patriarchen eingesetzt wurden, bestimmten die kirchlichen Aktivitäten und hatten weitreichenden politischen Einfluß. Die Kirche sanktionierte ein Priesterkönigtum und bestätigte die Legitimität der königlichen Thronfolge. Im Gegenzug schützte der Herrscher kirchliche Interessen. Der Einfluß der Königinmutter auf die Sukzession glich demjenigen in der matriarchalischen meroitischen Tradition. Da Frauen das Thronfolgerecht weitergaben, konnte ein berühmter Krieger aus nichtköniglicher Familie durch Heirat mit einer dem Thron nahestehenden Frau König werden.

Das Eindringen des Christentums öffnete von neuem den Zugang zur mittelmeerischen Zivilisation und erneuerte die kulturelle und ideologische Bindung an Ägypten. Die Kirche ermutigte Bildung in Nubien durch ihre in Ägypten ausgebildeten Kleriker und durch die Kloster- und Kathedralschulen. Der Gebrauch des Griechischen in der Liturgie wich allmählich der nubischen Sprache, die mit einem einheimischen Alphabet aus altmeroitischen und koptischen Zeichen geschrieben wurde. Koptisch benutzte man oft in kirchlichen und weltlichen Kreisen. Frühe Inschriften bezeugen überdies, daß umgangssprachliches Griechisch bis ins zwölfte Jahrhundert hinein im Gebrauch blieb. Nach dem siebten Jahrhundert gewann das Arabischen immer mehr an Bedeutung, vor allem als Handelssprache.

Die christlichen Königreiche Nubiens, die für viele Jahrhunderte Bestand hatten, erreichten den Höhepunkt ihres Wohlstandes und ihrer militärischen Macht während des neunten und zehnten Jahrhunderts. Aber die muslimischen Eroberer, die 640 Ägypten eingenommen hatten, bildeten eine Bedrohnung für die Nubier. Die meisten Historiker glauben, daß der arabische Druck die Königreiche Nobatia und Makuria zwang, sich noch vor 700 zum Reich von Dongola zu vereinigen.  Obwohl die Araber bald die Versuche aufgaben, Nubien einzunehmen, machte es die islamische Herrschaft über Ägypten schwierig, mit dem koptischen Patriarchen zu kommunizieren oder in Ägypten ausgebildete Priester ins Land zu holen. Infolgedessen wurde die nubische Kirche allmählich von der übrigen christlichen Welt isoliert.

 

Die Ankunft des Islam

Mit der Ankunft des Islam änderte sich schließlich die Beschaffenheit der sudanesischen Gesellschaft; dies erleichterte auch die Divergenz von Nord und Süd. Der Islam erleichterte seinen Anhängern politische Einigkeit, wirtschaftliches Wachstum und zunehmende Bildung, dies allerdings hauptsächlich in städtischen und wirtschaftlichen Zentren.

Die Ausbreitung des Islam begann kurz nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahre 632. Zu dieser Zeit hatten er und seine Anhänger bereits die meisten arabischen Stämme und Städte zum Islam – wörtlich “Hingabe” (an Gott) – bekehrt. Nach Ansicht der Muslime vereinigt der Islam den individuellen Gläubigen, den Staat und die Gesellschaft unter Gottes Willen. Daher übten islamische Herrscher sowohl geistliche als auch weltliche Macht aus. Islamisches Recht, das hauptsächlich vom Koran hergeleitet ist, umfaßt alle Aspekte des Lebens der Gläubigen, die sich „Muslime“ nennen.  

Eine Generation nach Mohammeds Tod hatten arabische Armeen den Islam von Arabien aus nach Nordafrika getragen. Muslime übernahmen die politische Kontrolle über die eroberten Gebiete im Namen des Kalifen (des Nachfolgers des Propheten als oberster irdischer Führer des Islam). Die islamischen Heere verbuchten ihren ersten nordafrikanischen Sieg im Jahre 643 in Tripoli im heutigen Libyen. Dennoch dauerte die islamische Eroberung ganz Nordafrikas gut fünfundsiebzig Jahre. Die Araber fielen im Jahre 642 und nochmals im Jahre 652 in Nubien ein, belagerten die Stadt Dongola und zerstörten ihre Kathedrale. Die Nubier leisteten tapferen Widerstand und zwangen die Araber zu einem Waffenstillstand und schließlich zum Rückzug.

 

Die Araber

Kontakte zwischen Nubiern und Arabern gab es schon lange vor dem Islam; aber die Arabisierung des Niltales war ein langwieriger Prozeß, der fast 1000 Jahre dauerte. Arabische Nomaden durchzogen das Gebiet auf der Suche nach frischen Weidegründen und arabische Kaufleute und Kapitäne handelten in den Küstenstädten am Roten Meer Gewürze und Sklaven ein. Mischehen und Assimilation förderten die Arabisierung. Nachdem erste Versuche einer militärischen Eroberung gescheitert waren, schloß der arabische Heerführer in Ägypten, Abd Allah ibn Saad, das erste einer Reihe von Bündnissen mit den Nubiern. Dies bestimmte die Beziehungen zwischen den beiden Völkern für mehr als 600 Jahre. Solange die Araber über Ägypten herrschten, war die Grenze nach Nubien friedlich. Als jedoch Nicht-Araber die Kontrolle über das Nildelta gewannen, kam es in Oberägypten zu Spannungen.

Die Araber sahen sehr bald die wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus einem friedlichen Nebeneinander mit den Nubiern ergaben, und nutzten die Abkommen um sicherzustellen, daß Reisen und Handel über die Grenze hinweg möglich war. Außerdem gab es Sicherheitsklauseln, die besagten, daß keine der beiden Parteien dem anderen im Falle des Angriffs einer dritten Macht beistehen würde. Beide Seiten verpflichteten sich, jährlich Abgaben aneinander zu errichten, die Nubier in Sklaven, die Araber in Getreide. Diese Formalität war ein Symbol des Handels, der zwischen beiden Ländern stattfand, nicht nur in den oben genannten Waren, sondern auch in Pferden und Handwerkserzeugnissen, die die Araber nach Nubien brachten, und in Gold, Elfenbein, Gummi, Edelsteinen und Vieh, das nach Ägypten gelangte oder nach Arabien verbracht wurde.

Das Akzeptieren dieses Abkommens ist nicht als Unterwerfung der Nubier unter die Araber zu verstehen, aber es setzte Bedingungen für eine Freundschaft mit den Arabern, die diesen im Laufe der Zeit eine privilegierte Stellung in Nubien schuf. So erlaubten die Bestimmung beispielsweise, daß Araber Land südlich der Grenze bei Assuan erwerben konnten. Arabische Händler etablierten Märkte in nubischen Städten, um den Austausch von Getreide und Sklaven zu erleichtern. Arabische Ingenieure überwachten die Arbeit in den Minen östlich des Nils, in denen man mit Sklavenarbeit Gold und Smaragde schürfte. Muslime auf dem Weg nach Mekka reisten mit Fährschiffen von Aydhab und Sawakin über das Rote Meer. Diese Hafenstädte empfingen auch die Handelsgüter, die von Indien nach Ägypten kamen.

Traditionelle Genealogien führen den Ursprung der Mischbevölkerung im Niltal auf arabische Stämme zurück, die während dieser Zeit in die Region einwanderten. Sogar viele nicht-arabischsprechende Gruppen behaupten, von arabischen Vorfahren abzustammen. Die beiden wichtigsten arabischsprechenden Gruppen, die sich in Nubien herausbildeten waren die Jaali und die Juhayna. Beide zeigen physisch die Merkmale der vorislamischen Bevölkerung. Die Jaali behaupten, von den Quraysh abzustammen, dem Stamm des Propheten Mohammed. Sie waren seßhafte Bauern und Hirten, die entlang des Nils und in der Gezirah siedelten. Die nomadischen Juhayna bestehen aus einem Verbund von Stämmen wie den Kababish, Baqqara, und Shukriya. Sie stammten von Arabern ab, die im 13.Jahrhundert in ein Gebiet zogen, daß sich von der Steppe westlich des Nils bis zu den Ausläufern der abessinischen Berge östlich des Blauen Nils erstreckte. Beide Gruppen bildeten eine Reihe von Scheichtümern, die die christlichen nubischen Königreiche ablösten und sich in ständigem Zwist mit einander und den nichtarabischen Nachbarn befanden. In einigen Fällen, wie bei den Beja, absorbierte die Urbevölkerung die Araber, die sich unter ihnen niederließen. Die Herrscherfamilien der Beja leiteten sich später von arabischen Ahnen her.

Obwohl nicht alle Muslime in der Region Arabisch sprachen, erleichterte die Islamisierung auch die Arabisierung. Es gab jedoch keine Zwangskonversionen oder Verfolgungen. Der Islam hielt über einen langen Zeitraum hinweg Einzug, und zwar durch Mischehen und Kontakt mit arabischen Händlern und Siedlern. Die Steuerbefreiung unter muslimischer Herrschaft war ein weiterer wichtiger Faktor für Konversionen. Nach der islamischen Eroberung des Gebietes im Jahre 1276 gaben die ägyptischen Mamluken Nubien an einen muslimischen Oberherren. Die Nubier selbst traten erst allmählich zum Islam über. Eine Mehrheit von ihnen blieb bis ins 15. oder 16. Jahrhundert Christen. Während des 16.Jahrhundertss verbreiteten sich die islamischen Bruderschaften im nördlichen Nubien, und das Osmanische Reich übte seine Oberhoheit durch eine Reihe von Militärgouverneuren aus, deren Herrschaft drei Jahrhunderte dauerte.

Im Jahre 1820 sandte Mohammed Ali, der Ägypten für den Sultan regierte, eine Truppe von 4000 Soldaten in den Sudan, um das Gebiet von Mamluken zu säubern. Diese Invasion resultierte in einer osmanisch-ägyptischen Herrschaft über den Sudan, die von 1821 bis 1885 dauerte; begleitet wurde sie durch die Einführung säkularer Gerichte und eines umfassende Verwaltungsapparates. In den 80er Jahren kam es zum Mahdisten-Aufstand. Die Anhänger des Mahdi oder “Rechtgeleiteten”, Mohammed Ahmed ibn as Sayyid Abd Allah, proklamierten den Heiligen Krieg gegen die Osmanen. Großbritannien sah dies als Bedrohung der Stabilität in der Region und sandte zuerst Charles George Gordon und dann Herbert Kitchener in den Sudan, um die britische Kontrolle zu wahren. Die britische Eroberung führte zur Etablierung des Anglo-Ägyptischen Kondominiums und zunächst zu einer Militärregierung im Sudan bis nach dem Ersten Weltkrieg. Westliche Missionare begannen, Schulen und Hospitäler im Gebiet einzurichten.

Nach dem Ersten Weltkrieg bekam der sudanesische Nationalismus Zulauf, der für eine Unabhängigkeit oder eine Union mit Ägypten eintrat. Großbritannien fügte sich ins Unvermeidliche und unterzeichnete im Jahre 1952 ein Unabhängigkeitsabkommen, gefolgt vom Anglo-Ägyptischen Abkommen aus dem Jahre 1953, das nach einer dreijährigen Übergangsperiode zur Unabhängigkeitserklärung des Sudan am 1.Januar 1956 führte.

Sonnenuntergang am Nil

Afrikanische Tänze
Nubisches Dorf bei Sdeinga

Dorf bei Dongola

Pyramiden von Meroe

Pyramiden von Meroe

Statue des Taharka bei Tumbus

Bei der Fähre von Umm Tuyur

Nubische Kinder

Örtliche Fähre

Markt in Omdurman

Camp bei einem Dorf bei Alt-Dongola
Ethnoggraphisches Museum

Alt-Dongola

Fresko aus Faras

Derwische in Omdurman

Darb el Arbain

Straßenszene in Khartum

Markt

Auf der Insel Sai
Auf dem Weg nach Dongola
Jungen bei Tumbus
Darb el Arbain
Dorf bei Soleb
Dorfcafe
Markt von Omdurman